• 29.07.2025 | Pädagogische-Psychologie / Gesundheitspsychologie

Wenn Worte alles verändern—Stress beim Überbringen schlechter Nachrichten

Das Überbringen schlechter Nachrichten in der Medizin belastet nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch Ärztinnen und Ärzte. Eine neue Studie zeigt, wie ein einfacher Perspektivenwechsel hilft, den Stress im entscheidenden Moment umzudeuten und dadurch die körperliche Stressreaktion und die Kommunikation verbessern kann. Davon profitieren am Ende beide Seiten.

Ich zögere vor dem Eintritt ins Besprechungszimmer, mein Herz rast, mein Magen ist ein Knoten. Hinter dieser Tür wartet eine Familie voller Hoffnung, voller Fragen. Sie glauben noch an eine Besserung, an eine Wendung zum Guten. Doch der Befund von heute Morgen lässt keinen Zweifel mehr zu: Der Krebs hat sich ausgebreitet. Ich musste solche Nachrichten schon oft überbringen und doch fühlt es sich jedes Mal so an, als wäre es das erste Mal. Ich weiß, dass meine Worte ihre Welt erschüttern werden. Obwohl ich die Fakten kenne, obwohl ich geschult bin und weiß, was ich sagen soll, bin ich nie wirklich bereit für diesen Moment.

Solche Gespräche gehören für Ärztinnen und Ärzte zum beruflichen Alltag. Spurlos geht diese Erfahrung jedoch nicht an ihnen vorbei. Beim Überbringen schlechter Nachrichten stehen die betroffenen Patientinnen und Patienten im Fokus—verständlich, schließlich geht es um deren lebensverändernde Diagnosen. Doch auch für das medizinische Personal sind solche Situationen emotional belastend; Empathie, Verantwortung, Zeitdruck, Angst vor falschen Worten—all das erzeugt erheblichen Stress, sowohl psychisch als auch körperlich.

Tatsächlich zeigen Studien, dass solche Gespräche messbare Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System von Medizinerinnen und Medizinern haben (Studer et al., 2017). Dieser Stress kann wiederum die Qualität der Kommunikation maßgeblich beeinträchtigen. Dies ist besonders bedeutsam, da die Art und Weise, wie eine schlechte Nachricht überbracht wird, nicht nur deren Verarbeitung beeinflusst, sondern auch das Vertrauen, die aktive Teilnahme an der Therapie und langfristig sogar die Genesung der Patientinnen und Patienten (Street et al., 2009).

Aus diesen Gründen sind Kommunikationstrainings ein fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung. Sie vermitteln wichtige Prinzipien wie Empathie, den Umgang mit negativen Emotionen, Struktur und aktives Zuhören. Was dabei jedoch oft zu kurz kommt, ist die Frage: Wie können Medizinstudierende gezielt darauf vorbereitet werden, mit den eigenen Gefühlen und dem Stress beim Überbringen schlechter Nachrichten umzugehen?

Ein vielversprechender Ansatz im Umgang mit herausfordernden Situationen ist das sogenannte „Stress Arousal Reappraisal“. Dabei lernen Menschen, körperliche Stressreaktionen wie erhöhten Puls oder schnellere Atmung („Stress Arousal“) nicht als Zeichen von Überforderung zu deuten, sondern als natürliche, hilfreiche Reaktion auf eine bedeutungsvolle Aufgabe („Reappraisal“ = Umdeutung). Denn obwohl sich diese Reaktionen unangenehm anfühlen können, sind sie nicht per se negativ: Sie versorgen den Körper mit Sauerstoff, mobilisieren Energie und helfen dabei, in anspruchsvollen Momenten leistungsfähig zu bleiben. Wer versteht, dass diese Reaktionen funktional sind, kann den Stressor mehr als Herausforderung und weniger als Bedrohung wahrnehmen, und sich letztlich besser auf die Aufgabe konzentrieren (Jamieson et al., 2018). Dass solche Umdeutungs-Ansätze wirksam sind, wurde bereits in verschiedenen Bereichen gezeigt, etwa in Bewerbungsgesprächen, bei Prüfungen oder öffentlichen Präsentationen.

In einer schweizweiten Studie (Bosshard et al., 2025a; Bosshard et al., 2025b) wurde dieser Ansatz erstmals auf die medizinische Lehre übertragen: Medizinstudierende erhielten ein Kommunikationstraining zum Überbringen schlechter Nachrichten. Eine Gruppe lernte zusätzlich, Stress in solchen Momenten gezielt positiv umzudeuten.

In simulierten Arzt-Patienten-Gesprächen zeigte sich: Die Studierenden, die gelernt hatten, Stress positiv umzudeuten, wirkten nonverbal sicherer—etwa durch eine zugewandte Haltung, bewusste Pausen und Augenkontakt—und wiesen eine gesündere kardiovaskuläre Stressreaktion auf, mit besserer Blutzirkulation und geringerem Gefäßwiderstand.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass gezieltes Stressmanagement sowohl die Kommunikation als auch eine gesunde körperliche Reaktion auf Stress gleichermaßen fördern kann. Davon profitieren alle, Ärztinnen und Ärzte ebenso wie die Patientinnen und Patienten. Solche Ansätze der bewussten Stressumdeutung könnten dementsprechend künftig einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Ausbildung leisten—für einen Beruf, der von zahlreichen herausfordernden und belastenden Situationen geprägt ist.

Literaturverzeichnis

Bosshard, M., Guttormsen, S., Nater, U. M., Schmitz, F., Gomez, P., Berendonk, C. (2025a). A randomized controlled trial evaluating stress arousal reappraisal and worked example effects on psychophysiological responses during breaking bad news. Scientific Reports, 15(1). https://doi.org/10.1038/s41598-025-06995-7

Bosshard, M., Guttormsen, S., Nater, U. M., Schmitz, F., Gomez, P., Berendonk, C. (2025b). Improving breaking bad news communication skills through stress arousal reappraisal and worked examples. Medical Education, 1–9. https://doi.org/10.1111/medu.15658

Jamieson, J. P., Hangen, E. J., Lee, H. Y., & Yeager, D. S. (2018). Capitalizing on Appraisal Processes to Improve Affective Responses to Social Stress. Emotion Review, 10(1), 30-39. https://doi.org/10.1177/1754073917693085

Street, R. L., Makoul, G., Arora, N. K., Epstein, R. M. (2009). How does communication heal? Pathways linking clinician–patient communication to health outcomes. Patient Education and Counseling, 74(3), 295–301. https://doi.org/10.1016/j.pec.2008.11.015

Studer, R. K., Danuser, B., Gomez, P. (2017). Physicians' psychophysiological stress reaction in medical communication of bad news: A critical literature review. International Journal of Psychophysiology, 120, 14-22. https://doi.org/10.1016/j.ijpsycho.2017.06.006

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Jon Tyson via unsplash