V. S. helfen die Frage zu beantworten, zu welchen Anteilen Merkmalsunterschiede auf genetische und erfahrungsabhängige Unterschiede zurückzuführen sind. Man unterscheidet zwei grundlegende Untersuchungsdesigns: Zwillings- und Adoptionsstudien. Das klassische Zwillingsdesign beruht auf dem Vergleich der Ähnlichkeiten von eineiigen und zweieiigen gemeinsam aufgewachsenen Zwillingen. Es ist das am häufigsten verwendete Design in der Verhaltensgenetik. Da eineiige Zwillinge genetisch identisch sind, können Unterschiede zwischen ihnen nur individuellen (nichtgeteilten) Umwelteinflüssen und Erfahrungen zugeschrieben werden. Die Merkmalsähnlichkeit zwischen gemeinsam aufgewachsenen eineiigen Zwillingen kann demnach vollständig auf genetische Einflüsse und geteilte Umwelteffekte zurückgeführt werden. Zweieiige Zwillinge teilen wie andere Geschwister 1. Grades im Mittel 50% der genetischen Faktoren, die überhaupt zwischen Menschen, die zu über 99,9% genetisch gleich sind, unterschiedlich sein können. Da zweieiige Zwillinge jedoch gleichen Alters sind wie eineiige Zwillinge auch, macht sie das zu einer guten Referenzgruppe für den Vergleich deren Ähnlichkeit mit der Ähnlichkeit von genetisch identischen eineiigen Zwillingen. Wenn eineiige Zwillinge in einem betrachteten Merkmal (z.B. eine Persönlichkeitseigenschaft) ähnlicher sind als zweieiige Zwillinge, dann kann dieser Unterschied auf einen genetischen Beitrag zurückgeführt werden. Dem Adoptionsstudiendesign liegt hingegen die einfache Annahme zu Grunde, dass Merkmalsähnlichkeiten zwischen Adoptivverwandten (z.B. Adoptivgeschwister) nicht auf genetischen Faktoren beruhen, sondern auf gemeinsame Erfahrungen (bzw. geteilte Umwelteffekte) zurückzuführen sind. Da Adoptivverwandte nicht genetisch verwandt sind, kann ihre größere Ähnlichkeit (bzw. Korrelation) verglichen mit zwei zufällig aus der Population herausgegriffenen nichtverwandten und nicht gemeinsam aufgewachsenen Individuen hinsichtlich einer betrachteten Eigenschaft direkt auf geteilte Umwelteffekte zurückgeführt werden. Im Umkehrschluss kann die Merkmalsähnlichkeit zwischen genetischen Verwandten, die durch Adoption getrennt wurden (z.B. biologische Geschwister ersten Grades) auf genetische Einflüsse zurückgeführt werden, da sie keine gemeinsamen Erfahrungswerte teilen.
defined by: Christian Kandlerdefined by: Rainer Riemann